Körperliche Arbeit Wie Exoskelette bei der Arbeit helfen können

Tragbare Assistenzsysteme können von körperlich schwerer Arbeit entlasten, aber viele Mitarbeiter betrachten sie mit Skepsis. Für mehr Akzeptanz kann der erste Kontakt entscheidend sein.

Ulrich Steudel

Bei längeren Überkopfarbeiten helfen Exoskelette wie das Paexo Shoulder, dass die Arme nicht schwer werden. - © Ottobock

Aus dem Auto sind sie nicht mehr wegzudenken. Assistenzsysteme unterstützen den Fahrer beim Bremsen und Beschleunigen, bei Berg- und Kurvenfahrten oder verhindern Schleuderpartien. Nirgendwo gibt es so viel technische Hilfe wie beim Autofahren. Aber Assistenzsysteme können den Menschen auch bei körperlicher Arbeit unterstützen. Denn dort, wo der Einsatz von Maschinen nicht möglich ist, bleibt die Muskelkraft als letzte Alternative. Gerade im Handwerk belasten viele Tätigkeiten den Körper. Exoskelette können den Mitarbeitern dabei unter die Arme greifen.

Allerdings sind Systeme wie das Paexo Shoulder von Ottobock, das bei Überkopfarbeiten das Gewicht der Arme über eine mechanische Seilzugtechnik auf die Hüfte ableitet, bisher kaum verbreitet. Das liegt nicht selten an der mangelnden Akzeptanz, sowohl bei den Gesellen wie auch beim Unternehmer.

Großes Nutzenpotenzial

Lars Fritzsche, Honorarprofessor für Ergonomie und betriebliches Gesundheitsmanagement am Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie der TU Dresden, sieht im Einsatz von Exo­skeletten dennoch ein großes Nutzenpotenzial. Um dies auszuschöpfen, sei aber ein gewisser Aufwand notwendig, gerade bei der Einführung solcher am Körper tragbaren Assistenzsysteme. Denn die erste Phase entscheidet darüber, wie Exoskelette angenommen werden.

Das bestätigt auch eine Befragung des französischen Forschungsinstituts zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (INRS). Dabei gaben alle Nutzer von Exo­skeletten an, dass das Tragen bei Kollegen nicht positiv aufgenommen wird. Einige fühlten sich zudem in ihren Bewegungen eingeschränkt, sodass sie das Gerät nicht als Hilfsmittel empfanden. "Häufig werden falsche Erwartungen an Exoskelette gestellt", glaubt Ulrich Glitsch vom Institut für Arbeitsschutz beim Spitzenverband der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn Exoskelette könnten immer nur das schwächste Glied in einer Kette unterstützen. Ein rumpfunterstützendes System helfe zum Beispiel nur beim Anheben von Lasten, während für Überkopfarbeiten schulterunterstützende Systeme notwendig seien.

So könnten Exoskelette bei monotonen Arbeiten, wie dem ständigen Anheben von Lasten in Logistikzentren, wo ein Mitarbeiter bis zu zehn Tonnen pro Tag bewegt, sehr hilfreich sein. Im Handwerk mit oft vielen verschiedenen Bewegungen an einem Arbeitstag, wird die Sache komplizierter. Hier gilt es abzu­wägen, wie groß der Anteil der Arbeiten ist, bei denen das Exoskelett tatsächlich eine echte Hilfe darstellt.

Analyse nach TOP-Prinzip

Um solche Fragen zu klären und die Akzeptanz seiner Exoskelette zu erhöhen, setzt der Hersteller Ottobock, der unter der Marke Paexo inzwischen sechs verschiedene Modelle anbietet, auf eine intensive Betreuung in der Einführungsphase.

"Bei der Analyse der Arbeitsplätze gehen wir nach dem TOP-Prinzip vor. Das heißt, erst wenn technische oder organisatorische Maßnahmen keine Entlastung bringen, rückt die Person in den Fokus. Erst dann kommt das Exo­skelett ins Spiel", sagt Vertriebsleiter David Duwe. In den ersten Wochen würden die Unternehmen vor Ort intensiv betreut. Es gebe Schulungen, das An- und Ausziehen werde trainiert, Informationen zur Nutzung und Akzeptanz der Exo­skelette würden eingeholt, aus denen weitere Schritte abgeleitet würden.

Die Handwerksunternehmen unter den bisher rund 500 Kunden von Paexo-Systemen würden sich vor allem auf Bau- und Ausbaugewerke, aber auch auf Kfz-Werkstätten oder Elektro-Betriebe verteilen.