Was Faszien mit Muskel-Skeletterkrankungen zu tun haben Gesundheitstipps für Handwerker von Faszienpapst Robert Schleip

Muskel- und Skeletterkrankungen verursachen die meisten Fehltage im Handwerk. Um Zwangshaltungen, schwerem Heben und sich wiederholenden Bewegungen etwas entgegenzusetzen, müssen Betroffene ihre Muskulautr kräftigen – aber nicht nur, sagt "Faszienpapst" Robert Schleip. Mit welchen Bewegungen Handwerker ihre Gesundheit fördern können.

Mit Hilfe des "Tensegrity-Modells" erklärt Faszienforscher Robert Schleip, wie Faszien arbeiten. - © Foto: Somatics

DHZ: Herr Schleip, Muskel- und Skelett­erkrankungen verursachen die meisten Krankheitstage im Handwerk. Von Faszien ist dabei nie die Rede. Zu Recht?

Schleip: Nein, die Faszien haben tatsächlich auch ihren Anteil daran. Sie können sich die Faszien wie eine Verpackung für den Muskel vorstellen. Aber diese Verpackung umhüllt den Muskel nicht nur, viele Muskelfasern ziehen auch in die Verpackung hinein. Die Faszien verbinden den ganzen Körper großflächig miteinander. Und es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen verklebten oder verfilzten Faszien und der Schmerzwahrnehmung, zum Beispiel bei chronischen Rückenschmerzen.

DHZ: Was bedeutet "verfilzt" oder "verklebt"?

Schleip: Eine gesunde Faszie hat eine geordnete Struktur. Meist ist sie parallelfaserig oder scherengitterartig. So kann sie Dehnungsbelastungen besonders gut tolerieren. Wenn ein Körperbereich zu wenig oder nur im immer gleichen Winkel bewegt und die Faszie zu wenig gefordert wird, dann kann das zu einem Fibrotisieren führen, ein Verwuchern der Fasern. Sie werden wie Filz, unstrukturiert und wenig dehnbar. Dadurch wird dieser Körperteil steifer.

DHZ: Hat das auch Auswirkungen auf Gelenke – Handwerker leiden besonders häufig an Schulter, Knie- und Rückenproblemen?

Schleip: Bei Arthrose und rheumatischen Veränderungen ist man früher davon ausgegangen, dass zu häufige und starke Belastung zur Abnutzung führt. Inzwischen gibt es die Erkenntnis, dass Menschen vor allem dort Arthrose entwickeln, wo sie ein zu kleines Spektrum der Bewegugnsmöglichkeiten nutzen. Typisches Beispiel ist der Hüftgelenkverschleiss durch vieles Sitzen. Gelenke, aber eben auch Faszien, brauchen vielfältige Bewegungen, um gesund zu bleiben.

DHZ: Die meisten Handwerker sitzen allerdings wenig und arbeiten körperlich. Probleme haben sie trotzdem.

Schleip: Ja, denn sie bewegen sich oft einseitig. Wenn zum Beispiel ein Maler immer mit dem rechten Arm arbeitet, oft über Kopf, dann wäre es für die Faszien wichtig, wenn er am Ende des Arbeitstages bewusst andere Bewegungsrichtungen ausführt.

DHZ: Was für Bewegungen?

Schleip: Wichtig ist die Vielfalt. Für die Schulter wären es statt der vielen nach-vorn-Bewegungen auch mal Bewegungen nach hinten, zur Seite, Hangeln, Werfen und Räkeln. Grundsätzlich mögen Faszien kleine, federnde und schwingende Bewegungen in alle Richtungen. So ist es zum Beispiel für Faszien auch nicht gut, sich immer mit geradem Rücken und aus der Hüfte heraus zu bücken. Diese eindimensionale Bewegung ist gut zur Kräftigung der Rückenmuskeln. Die Lendenfaszie profitiert dagegen, wenn man auch einmal nicht den optimalen Winkel einnimmt, sich mit rundem Rücken beugt, mal das eine, mal das andere Bein vorn. Da muss man sich langsam herantasten, wer zu ehrgeizig beginnt, kann sich zerren.

DHZ: Und wie oft muss man das machen?

Schleip: Zweimal die Woche die schwingenden und hopsenden Übungen wäre gut. Wer aber wie Handwerker seinen Bewegungsapparat jeden Tag über mehrere Stunden belastet, sollte jeden Abend die räkelnden Dehnungen machen oder auch auf die Faszienrolle gehen.

DHZ: Stichwort Faszienrolle: Was bewirkt das?

Schleip: Faszienrollen sind ein sinnvolles Mittel, auch wenn eine professionelle Behandlung beim Physiotherapeuten oder Osteopathen natürlich besser wirkt. Aber die Faszienrolle gibt Selbstwirksamkeit. Jeder kann sich so abends noch etwas Gutes tun, die Beine ausrollen oder die Schulter.

DHZ: Es gibt jetzt auch Faszien-Sicherheitsschuhe. Helfen die?

Schleip: Wenn Sie sich einen klassischen Sicherheitsschuh ansehen, ist der Fuß darin wie eingegipst, immobilisiert. Ohne Bewegung verfilzen aber die Faszien. Im Faszien-Sicherheitsschuh hat der Fuß mehr Bewegung, das ist gut. Trotzdem würde ich jedem empfehlen, abends die Füße zusätzlich zu strecken und für die Beine schwingende und dehnende Bewegungen zu machen. Wer im starren Schuh war, sollte abends zudem mit den Füßen auch noch einige Male über eine kleine Faszienrolle oder einen Tennisball rollen.