Straßenverkehr in Europa Eurovignette: Keine Maut für Handwerker

Vor mehr als vier Jahren hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine neue Richtlinie zur Eurovignette vorgelegt. Nun haben EU-Länder und Europaparlament einen Kompromiss gefunden. Für Handwerker soll es eine Ausnahme geben.

Autobahn-Mautstelle
EU-Länder und Europaparlament haben sich auf einen Kompromiss für eine Richtlinie zur Eurovignette geeinigt. - © Daniel Jędzura - stock.adobe.com

Unterhändler der EU-Länder und des Europaparlaments haben sich auf eine Ausgestaltung der Eurovignette geeinigt. Mit der neuen EU-Richtlinie soll das System der Vignetten, die für einen bestimmten Zeitraum gekauft werden, auf den größten europäischen Autobahnen ab dem Jahr 2029 durch Mautstellen abgelöst werden. Dies soll für Lkw, Busse, Kleintransporter und andere schwere Fahrzeuge gelten. In den kommenden Jahren sollen außerdem unterschiedliche Straßengebühren je nach CO2-Ausstoß der Lkw und Busse erhoben werden. Je geringer der CO2-Verbrauch ist, desto billiger soll es werden.

Gleichzeitig bleibt es den Mitgliedsländern weiterhin freigestellt, auch von Pkw-Fahrern Gebühren für die Straßennutzung zu verlangen. Das betreffende Land muss sich dann zwar an die neue Richtlinie halten. Für Pkw bleibt jedoch ein Vignettensystem erlaubt, bei dem diese mit einer kürzeren Gültigkeit etwa für Urlauber möglich sein sollen.

Der Beschluss muss noch offiziell von den EU-Ländern und dem Europaparlament angenommen werden. 20 Tage nach ihrer offiziellen Veröffentlichung soll die Richtlinie in Kraft treten.

Anschließend haben die EU-Länder den Angaben zufolge zwei Jahre Zeit, die Bestimmungen in nationales Recht zu übernehmen. Für das Auslaufen der zeitbasierten Systeme ist eine Übergangsphase von acht Jahren vorgesehen.

Praxistaugliche Ausnahme für Handwerker gefunden

Der Zentralverband des Deutschen Hanwerks (ZDH) zeigte sich erleichtert über die Einigung. "Es ist richtig und im Sinne unserer Handwerksbetriebe, es den EU-Mitgliedstaaten zu überlassen, ob sie Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen von Unternehmen außerhalb des Transportgewerbes von Maut- oder Nutzungsgebühren ausnehmen wollen", bewertete ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke den Kompromiss. Für Handwerksbetriebe mit ihren kleinen Transportern seien hierdurch Ausnahmeregelungen möglich.

Wenn Handwerker mit ihren Autos und Transportern unterwegs sind, fahren sie zu Baustellen und Kunden, um dort zu arbeiten. "Dafür fahren sie jedoch nicht durch halb Europa, sondern beispielsweise aus ländlichen Räumen in näher liegende Großstädte", führte Schwannecke weiter aus. In Deutschland wären die Handwerksbetriebe durch das im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten extrem große Mautnetz, das auch Bundesstraßen umfasst, finanziell sehr belastet worden.

"Wir begrüßen daher, dass innerhalb der EU-Mautregelung praxistaugliche Ausnahmen gefunden werden konnten, die den Transport eigener Materialien durch Handwerksbetriebe ausnehmen und diesen somit zusätzliche Bürokratie ersparen", sagte Schwannecke.

Zufrieden über den Kompromiss zeigte sich auch der verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Jens Gieseke. "Es freut mich besonders, dass es die Möglichkeit geben soll, Handwerker von der Maut auszunehmen." Der Verband der Automobilindustrie (VDA) begrüßte die Einigung ebenfalls. "Damit werden Anreize geschaffen, in emissionsfreie und emissionsarme Lkw zu investieren", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Der europäische Umweltdachverband Transport & Environment (T&E) geht davon aus, dass der gefundene Kompromiss dabei helfen wird, den Übergang zu einem emissionsfreien Güterverkehr zu beschleunigen und zu einer saubereren Luft beizutragen. EU-Verkehrskommissarin Adina Valean bezeichnete die Einigung als wichtigen Schritt, um Emissionen des Verkehrssektors zu verringern.

Kritik: "Nur Reförmchen"

"Wir werden uns für Änderungen einsetzen und wenn möglich, eine Mehrheit im Europaparlament gegen den jetzigen Kompromiss organisieren", sagte die Grünen-Verkehrspolitikerin Anna Deparnay-Grunenberg. Durch die Übergangsphase von mehreren Jahren und zahlreiche Ausnahmen sei es fraglich, ob die Einigung zu den Klimaschutzzielen beitrage, so die Europaabgeordnete.

Es habe bei den Verhandlungen bis tief in die Nacht nicht die Möglichkeit gegeben, den Kompromiss komplett zu durchdringen. "Wir wollten weg von den Flatrate-Modellen", sagte Deparnay-Grunenberg der Deutschen Presse-Agentur. Die kombinierte Vignette verwässere den Kompromiss. Es werde zudem befürchtet, dass ein Transport durch emissionsärmere Lkw plötzlich günstiger sein könnte als Güterverkehr über die strombetriebene Bahn. Auch der Linken-Verkehrspolitiker Jörg Cezanne äußerte Kritik. Er sprach von einem "Reförmchen", mit dem die Klimaziele nicht zu erreichen seien. jes/dpa