Das gilt bei Hitze auf der Arbeit Hitzefrei für Angestellte?

Sonnencreme-Flatrate und Siesta forderten Gewerkschaft und Mediziner zuletzt angesichts sengender Hitze und aggressiver UV-Strahlung. So mancher Arbeitnehmer würde sich ab 30 Grad sicher auch Hitzefrei wünschen. Einen Anspruch darauf haben aber weder Büroangestellte noch Draußenarbeiter. Dennoch müssen Chefs bei Hitze aktiv werden.

Ventilator
Ein Ventilator kann für etwas Abkühlung sorgen, wenn es im Büro zu heiß wird. Auch gründliches Stoßlüften am Morgen und Erfrischungsgetränke können helfen. - © BrAt82 - stock.adobe.com

Der Sommer ist da und damit auch die heißen Tage. Dass man bei hohen Temperaturen ins Schwitzen kommt, ist nicht verwunderlich. Aber nicht nur im Freien, auch auf der Arbeit kann es mitunter unangenehm werden: In tropisch warmen Büros und stickigen Arbeitsstätten fällt es vielen Mitarbeitern schwer, sich zu konzentrieren und ihren Aufgaben nachzukommen. Doch ein gesetzliches Recht auf Hitzefrei – wie in der Schule – haben Angestellte nicht. Auch die Installation von Klimaanlagen ist für Chefs keine Pflicht.

Hitzefrei im Büro und in der Werkstatt?

Die Arbeit einfach zu verweigern und Hitzefrei zu machen, ist für Angestellte keine gute Idee, denn sie können eine Abmahnung oder eine Kündigung riskieren. Erst bei extrem hohen Raumtemperaturen schreitet der Gesetzgeber ein. Wird die Lufttemperatur im Raum von +35 Grad überschritten, ist der Ort für die Zeit der Überschreitung nicht als Arbeitsraum geeignet, heißt es in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten des Ausschusses für Arbeitsstätten. Dies gilt aber nur dann, wenn der Arbeitgeber weder technische noch organisatorische Maßnahmen ergreift, um das Arbeiten angenehmer zu gestalten. Dazu zählen beispielsweise Luftduschen, Wasserschleier oder Entwärmungsphasen.

Außerdem sollten Chefs ihre Mitarbeiter mit Hitzeschutzkleidung ausstatten. Werden diese Aspekte nicht erfüllt, ist das Büro oder die Werkstatt für die Zeit der Überschreitung nicht als Arbeitsraum geeignet. Bei Schwangeren und Menschen mit gesundheitlichen Problemen kann dies bereits ab einer Raumtemperatur von 26 Grad gelten.

Ab 30 Grad besteht für den Chef die Pflicht zu handeln

Da es im deutschen Arbeitsrecht jedoch heißt "Arbeitnehmer sollen vor Gefahren für Leib und Leben geschützt werden", hat der sogenannte Ausschuss für Arbeitsstätten Richtlinien für Chefs (aber auch Mitarbeiter) erarbeitet, die Arbeitnehmer vor heißen Lufttemperaturen im Raum ab 26 Grad schützen sollen. Diese sind jedoch nicht verpflichtend.

Erst wenn die Lufttemperatur im Raum die 30 Grad übersteigt, müssen Unternehmen wirksame Maßnahmen zur Hitzelinderung ergreifen. Dabei gehen technische und organisatorische gegenüber personenbezogenen Maßnahmen vor. Hier ein paar Beispiele:

Diese Maßnahmen lindern Hitze in Arbeitsräumen

  • Luftduschen und Wasserschleier installieren: Diese technischen Geräte sorgen für Abkühlung mithilfe von Luft und Wasser.
  • Arbeitszeiten anpassen: Arbeitszeiten am besten in die frühen Morgen- oder Abendstunden verlegen. Hier herrschen meist angenehmere Temperaturen.
  • Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung anbringen: Zum Beispiel Jalousien und andere Schutzmaßnahmen vor Fenstern und Glaswänden.
  • Jalousien herunterlassen: Das gilt nicht nur während, sondern auch nach den Arbeitsstunden. So kann die strahlende Sonne nicht bereits morgens in die Fenster eindringen und die Räume aufheizen.
  • Fenster kippen: Das Fenster während der Arbeitszeit kippen, damit Luft in das Gebäude eindringen kann.
  • Stoßlüften: Vor Hitze hilft ebenfalls ein Stoß- sowie Querlüften in den frühen Morgenstunden.
  • Elektrische Geräte ausschalten: Diese sollten nur bei Bedarf angeschaltet sein, weil auch sie zusätzliche Wärme ausstoßen.
  • Bekleidungsregeln lockern: Auf wie viel Stoff man verzichten darf, können Chefs gemeinsam mit den Angestellten entscheiden.
  • Entwärmungsphasen erlauben: Dem Mitarbeiter sollte es gestattet sein, den Raum zu verlassen, wenn er frische Luft schnappen will.
  • Kostenlose Getränke bereitstellen: Zum Beispiel Erfrischungen wie Wasser.

Wie streng dürfen Kleidervorschriften bei hohen Temperaturen sein?

"Soweit der Arbeitgeber ein nachvollziehbares Interesse an einer bestimmten Bekleidung des Arbeitnehmers hat oder dieses sogar arbeitsvertraglich geregelt ist, entfällt das Interesse nicht pauschal ab einer bestimmten Temperatur", stellt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin, klar.

Der Arbeitgeber ist allerdings verpflichtet, Vorsorge am Arbeitsplatz zu treffen. "Gelingt ihm dies, zum Beispiel durch eine Klimaanlage, bleiben auch die Kleidervorschriften im vollen Umfang bestehen." Gelingt ihm das nicht, kann dann die Lockerung der Kleidervorschriften eine Maßnahme sein. "Grenze ist hier immer auch die etwaige Belästigung der übrigen Arbeitnehmer durch zum Beispiel allzu freizügige Kleidung", sagt Bredereck. dpa

Hitzefrei am Bau? Das gilt für Draußenarbeiter

Liegt der Arbeitsplatz im Freien, sind Beschäftigte direkt der Sonne ausgesetzt – und der UV-Strahlung. Eine festgelegte Grenze, ab wie viel Grad Celsius draußen nicht mehr gearbeitet werden darf, gibt es allerdings nicht.

Daher gilt, wie im Büro: "Es gibt kein allgemeines Recht auf Hitzefrei – auch nicht im Freien", so André Niedostadek, Professor für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule Harz.

Und wenn man die Arbeit bei Hitze dennoch unangenehm findet?

"Beschäftigte dürfen auch nicht einfach den Arbeitsplatz verlassen, nur weil sie meinen, es sei zu heiß für sie", erklärt Niedostadek. "Wer das tut, riskiert zumindest eine Abmahnung." Er rät, "den Arbeitgeber erst einmal darauf hinzuweisen, wenn es aufgrund der Temperaturen unerträglich wird." Bei gesundheitlichen Problemen kann man sich aber natürlich krank melden.

Der Arbeitgeber ist außerdem verpflichtet, "das Befinden der Arbeitnehmer durchgängig zu überwachen und bei gesundheitlichen Problemen umgehend ärztliche Hilfe zu organisieren", erklärt Fachanwalt Alexander Bredereck. "Da es in Deutschland wenig konkrete Regelungen für den Außenbereich gibt, wird das Thema von vielen Chefs vernachlässigt. Das kann sich im Schadensfall rächen." Denn "im Extremfall" müsse der Arbeitgeber dem Arbeitsrechtler zufolge neben Schadensersatzansprüchen dann auch strafrechtliche Ermittlungen fürchten.

Schutzmaßnahmen auf dem Bau: Das können Chefs und Angestellte tun

Zunächst einmal sind die Arbeitgeber gefragt. "Sie sind aus Gründen des Arbeitsschutzes verpflichtet, bei Hitze Maßnahmen zu treffen", so Niedostadek.

Nach der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) müssen Arbeitgeber, wie im Büro, auch auf der Baustelle eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung durchführen und konkrete Schutzmaßnahmen festlegen, über die die Mitarbeiter informiert werden. "Dabei hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht", erklärt der Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck.

Zu den Schutzmaßnahmen können etwa Schattenspender wie Sonnensegel oder Sonnenschirme gehören. Auch "Flexibilität bei den Arbeits- und Pausenzeiten, etwa dadurch, dass die Arbeit eher am Morgen oder am Abend erbracht wird, Verzicht auf Überstunden und auch mehrere Pausen sind denkbar", so Niedostadek. Für letztere sollte es dann schattige Plätze geben.

Außerdem können zu den Schutzmaßnahmen Sonnenschutzcremes, Sonnenbrillen, Schutzkleidung und Getränke gehören, die zur Verfügung gestellt werden. Diese müssen Beschäftigte dann nicht selbst bezahlen. Denn: "Die Kosten dafür trägt der Arbeitgeber", so Fachanwalt Alexander Bredereck.

Förderprämie für Sonnenschutzkleidung

Tipp: Die BG BAU zahlt bis zu 50 Prozent der Anschaffungskosten für individuellen Sonnen- und Hitzeschutz. Dazu zählen Funktionsshirts, Sonnenbrillen und Kühlkleidung. Weitere Infos zur Förderung und der Antragsstellung gibt es auf der Website der BG BAU.

Wie können sich Beschäftigte vor UV-Strahlung schützen?

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) rät auf ihrem Portal "Klima Mensch Gesundheit" bei Arbeiten im Freien zu langen Hosen und langärmeligen Hemden oder Shirts aus Baumwolle. Außerdem: Kopfbedeckungen mit Nacken- und Ohrenschutz.

Persönliche Schutzausrüstung, die am Arbeitsplatz vorgeschrieben ist, muss allerdings auch bei hohen Temperaturen getragen werden. Besteht Schutzhelmpflicht, kann man Nacken und Ohren etwa durch ein zusätzliches Tuch oder einen einknöpfbaren Nacken- und Ohrenschutz abschirmen, so die BZgA.

Wichtig: Unbedeckte Körperteile wie etwa Gesicht und Hände vor der Arbeit gründlich mit Sonnenschutzmittel einreiben. Dieses sollte vor UV-A- und UV-B-Strahlen schützen und mindestens einen Lichtschutzfaktor von LSF 30 haben.

Außerdem nicht vergessen: Regelmäßig Sonnenschutz nachlegen, wenn man schwitzt und sich so der Film der Sonnencreme auf der Haut verringert, heißt es in der Broschüre "Hautschutz bei Tätigkeiten im Freien" der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM).

Generell sinnvoll: möglichst viel im Schatten oder in Innenräumen erledigen. Sind bestimmte Arbeiten nicht im Schatten möglich, können der BG ETEM zufolge womöglich vorbereitende Tätigkeiten an schattigen Orten erledigt werden.

Sonnencreme-Flatrate gefordert

Damit der Sonnenschutz einen höheren Stellenwert in den Betrieben bekommt, setzen sich mittlerweile mehrere regionale Gewerkschaften für eine verpflichtende Sonnencreme-Flatrate in den Betrieben ein. Arbeitgeber sollten ihren Mitarbeitern die Sonnencreme kostenfrei zur Verfügung stellen, fordert beispielsweise die Gewerkschaft IG Bau OWL. Nur so könne das Risiko für weißen Hautkrebs, die häufigste Berufserkrankung in Deutschland, reduziert werden.

Die IG Bau im Rhein-Neckar-Raum geht noch einen Schritt weiter: Auch eine Wasser-Faltrate sei bei den heißen Temperaturen für Angestellte auf dem Bau angemessen, sagt der Bezirksvorsitzende der IG BAU Wolfgang Kreis im SWR-Interview.

Amtsärzte forderten wegen der hohen Temperaturen die Einführung einer Siesta. "Wir sollten uns bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags Siesta machen, ist ein Konzept, das wir in den Sommermonaten übernehmen sollten", sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Johannes Nießen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

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