Zukunft des Dieselmotors Außer beim Kaltstart nahezu emissionsfrei

Prof. Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), begrüßt eine punktuelle Verschärfung der Abgasnorm und plädiert für den Einsatz synthetischer Kraftstoffe, so genannter ReFuels.

Neuer V6 TDI Dieselmotor von Audi: Dank mehrstufiger Abgasreinigung 90 Prozent weniger Stickoxidemissionen. - © Audi

Dieselmotoren gelten in der öffentlichen Debatte als Dreckschleudern. Wie sauber sind sie wirklich, wenn sie nach dem aktuellen Stand der Technik gebaut werden?

Prof. Thomas Koch: Bezüglich der gesundheitsschädlichen Emissionen wie Partikel oder Stickoxide kann man heute von einem nahezu emissionsneutralen Beitrag des Dieselmotors sprechen. Die Diskussion war von Beginn an gegen die Technologie getrieben, ausgelöst durch ein unerhörtes Verhalten von Volkswagen. Andere Hersteller verdienen individuelle, jedoch typischerweise anders gelagerte Kritik. Aber die Technologie selbst verdient diese Kritik nicht. Auch bei den klimaschädlichen CO2-Emissionen ist und bleibt der Diesel aufgrund seines Wirkungsgrades eine hervorragende Technologie. Ein Lkw kommt auf einer schweren Route auf einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von mehr als 46 Prozent, ein Pkw liegt noch unter 40 Prozent. Allerdings ohne Hybridisierung. Wenn der Diesel von einem Elektromotor unterstützt wird, haben wir einen noch effizienteren und ohnehin sauberen Antrieb.

Die EU plant für 2025 die Einführung der neuen Abgasnorm Euro 7 mit einer weiteren Senkung der Grenzwerte für Stickoxide sowie härteren Testbedingungen. Was halten Sie von den Vorschlägen?

Prof. Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Prof. Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). - © KIT

Koch: Ich begrüße eine punktuelle Verschärfung der bereits sehr guten Euro 6d-Gesetzgebung. Man sollte noch ein oder zwei weitere Emissionskomponenten reglementieren. Außerdem muss der Test mit portablen Messgeräten vereinfacht werden, weil noch viele Messfahrten zu ungültigen Ergebnissen führen. Insgesamt be­grüße ich sehr die Vorschläge, die im April von der EU-Kommission vorgestellt wurden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist nicht nachvollziehbar, wenn der Grenzwert unter Volllast schon auf dem ersten Kilometer nach einem Kaltstart eingehalten werden muss, so wie es noch Ende vergangenen Jahres gefordert wurde. Ein modernes Auto ist heute auf dem ersten Kilometer nach Kaltstart so gut wie ein betriebswarmes Auto, das 2015 gebaut wurde. Danach fährt es nahezu emissionsfrei. Aber auf dem ersten Kilometer ist das technisch nicht lösbar. Hier hat der Verbrenner eine kleine Schwachstelle, die allerdings in der Gesamtbilanz gar nicht relevant ist, weil sie sich in der Stadtluft nicht bemerkbar macht.

Können synthetische Kraftstoffe, die aus regenerativer Energie hergestellt werden, dem Verbrennungsmotor eine Zukunft bieten?

Koch: Synthetische Kraftstoffe sind eine wichtige Option, um die individuelle Mobilität für jeden Geldbeutel langfristig CO2-arm zu ermöglichen. Das gilt sowohl für Neufahrzeuge als auch für Gebrauchtwagen. Aber auch hier wird mit teils hanebüchenen Argumenten versucht, die Technologie der ReFuels zu diskreditieren, ähnlich den Dieselsoftwareupdates vor drei Jahren. Ginge es um eine effektive Reduzierung der CO2-Emissionen, wie gemeinhin überall gefordert, müsste jede Option gefördert werden. Wichtiger er­scheint aber das ideologisch begründete Verbot des Verbrennungsmotors, koste es, was es wolle, auch mehr CO2-Emissionen! So wiederholt sich das gleiche Spiel wie vor drei bis fünf Jahren beim Dieselmotor, auch wenn damals die teilweise kritikwürdigen Schummeleien mancher Hersteller berechtigten Anlass für die Kampagne gaben.

Sie spielen auf den offenen Brief an, mit dem sieben Umweltverbände kürzlich BMW, Daimler und VW aufgefordert haben, ab 2030 keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zu verkaufen.

Koch: Die eigentliche Motivation erscheint mir ein viel weiter reichendes Ziel, nämlich die individuelle Mobilität zu verbieten oder mindestens massiv einzuschränken. Wenn erst alle elektrisch fahren, kommt im nächsten Schritt das Klagen über die elektrische Energie, die für Batterieproduktion und Betrieb ja auch nicht CO2-neutral ist. Am Ende haben wir nur noch kleine Fahrzeuge mit kleiner Batterie und geringer Reichweite. Das ist meines Erachtens das ideologische Ziel. Die Folge wären spätestens dann schwere Schäden für die Automobilindustrie, die sich momentan noch am süßen Gift der CO2-freien Anrechnung der Batteriemobilität erfreut. China ist hier mit einer geplanten Lebenszyklusanalyse viel moderner unterwegs.

"Man darf von keinem Manager erwarten, dass er sich zu einer Technologie bekennt, die vom Gesetzgeber nicht gewollt ist."

Prof. Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen

Die deutschen Autobauer steuern ja bereits konsequent auf Elektromobilität um. VW-Chef Herbert Diess sagte zur Bilanzpressekonferenz kürzlich, der Konzern brauche die Einnahmen aus dem Verbrennergeschäft, um den Wandel zu finanzieren. Wie sinnvoll ist dieser Wandel überhaupt?

Koch: Das ist eine Frage der Definition. Einen Wandel zu mehr Vielfalt werden wir haben, nicht aber einen Wandel zur reinen Elektromobilität. Auf jeden Fall erfordert der Wandel einen hohen Investitionsbedarf. Also müssen ertragsstarke Technologien mit hohen Deckungsbeiträgen diesen Wandel finanzieren. Deshalb brauchen synthetische Kraftstoffe in Kombination mit modernsten Verbrennungsmotoren eine Chance, die sie noch immer nicht bekommen. Leider ist für die Politik der Verbrennungsmotor mit synthetischen Kraftstoffen ReFuels mit der geplanten CO2-Reglementierung weiterhin nicht compliant. Die drastischen Konsequenzen werden wir in einigen Jahren zu spüren bekommen, wenn hier keine Technologieneutralität einzieht.

Das klingt sehr pessimistisch.

Koch: Man darf von keinem Manager erwarten, dass er sich zu einer Technologie bekennt, die vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Wenn ein Grenzwert von 50 Gramm CO2 pro Kilometer angekündigt wird, aber ein Verbrenner per se in der Tank-zum-Rad-Bilanz bei rund 80 bis 100 Gramm landet, weil synthetische Kraftstoffe nicht be­­rücksichtigt werden, ist das eine Non-Compliant-Technology, also mit den Anforderungen nicht konform, ob­­gleich CO2-freundlicher als die Batteriemobilität. Die Industrie muss in der Tat gesetzliche Vorgaben erfüllen, die teilweise im Widerspruch zur Physik stehen. Ich wünschte mir von den Herstellern mehr Rückgrat, diesen physikalischen Widerspruch zu benennen. Ich spüre jedoch vor allem den Wunsch, nicht in Ungnade zu fallen, nicht anzuecken und sich ein hippes E-Auto Ökoimage verpassen zu wollen. Es ist eine offensichtlich für alle sehr unbefriedigende Situation entstanden – gerade auch aus Perspektive des Umweltschutzes.