Betriebliches Gesundheitsmanagement Corona-Stress: Wie Sie die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter fördern

Corona-Stress kommt neuerdings zu den klassischen Arbeitsbelastungen hinzu. Unternehmen müssen ihr betriebliches Gesundheitsmanagement anpassen.

Mann sitz auf dem Boden mit Händen vor dem Gesicht
Die Corona-Pandemie hat das Stressniveau deutlich steigen lassen. Im betrieblichen Gesundheitsmanagement üben Chefs und Mitarbeiter, wie sie ihre Anspannung wieder reduzieren können. - © Tiko - stock.adobe.com

Von Barbara Oberst

Vor Corona waren die 26 Mitarbeiter der Karl Lutz Nachfolger GmbH ein aktives Team: "Wir sind zusammen bowlen gegangen, haben gegrillt, wir hatten einfach einen guten Zusammenhalt", erinnert sich Geschäftsführer Rainer Moses ein wenig wehmütig. Durch die Pandemie sei nun alles auf Eis gelegt. Jeder könne nur so vor sich hin arbeiten, selbst die Workshops für das betriebliche Gesundheitsmanagement haben eine Zwangspause, bedauert der Metallbaumeister aus Ludwigsburg.

Seit Jahren schon engagieren sich Rainer Moses und sein Geschäftsführungspartner Ulrich Harsch im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM). Als ein Sicherheitsbeauftragter sie darauf hinwies, dass der auf Tore und Zäune spezialisierte Handwerksbetrieb eine Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastungen brauche, entschieden sich Moses und Harsch für das Programm der Innungskrankenkasse IKK Classic. "Damit haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen", erklärt Moses. Einerseits erfülle die Einstiegserhebung dieses BGM die Anforderungen für die Gefährdungsbeurteilung. Andererseits konnten die Geschäftsführer damit etwas Gutes für ihre Mitarbeiter tun – wichtig in Zeiten des Fachkräftemangels.

Anonymer Fragebogen hilft

Die Einstiegserhebung ist ein zweiseitiger Fragebogen, den alle im Betrieb anonym ausfüllten. Die Fragen darauf reichen von einer allgemeinen Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes über die Zufriedenheit mit Betriebsklima und Arbeitsbedingungen bis hin zu gesundheitlichen Beschwerden, die während oder nach der Arbeit auftreten. Jeder konnte benennen, ob und welche ungünstigen Arbeitsbedingungen ihn belasten und was seine wichtigsten drei Änderungsvorschläge wären.

Rückenprobleme überwiegen

Weil – wie bei den meisten Handwerksbetrieben – die Rückenprobleme in diesen Fragebögen überwogen, startete der Betrieb mit dem Modul zu den körperlichen Belastungen. In drei Workshops à 120 Minuten erarbeitete ein Trainer Hintergrundwissen zur Rückengesundheit, fand mit dem Team heraus, wo besondere Belastungen entstehen und wie Abhilfe zu schaffen ist. "Seitdem machen wir im Betrieb jeden Morgen fünf Minuten lang Bewegungsübungen", nennt Moses ein greifbares Ergebnis des Trainings.

In einem zweiten Themenfeld widmete sich das Team gesunder Ernährung: ein Obstkorb hat seither die Süßigkeitenschale im Betrieb abgelöst und Moses hofft, dass auch sonst etwas aus dem Modul hängengeblieben ist.

Vom dritten Themenfeld hat bisher nur die Hälfte der Belegschaft profitiert. "Wir konnten den zweiten Termin wegen der Corona-Maßnahmen noch nicht durchführen", bedauert Sabine Schöck, die als Gesundheitsmanagerin der IKK-Classic alle Maßnahmen in dem Betrieb koordiniert. Dabei war der Umgang mit psychosozialen Belastungen, oder konkreter der Umgang mit Stress, selten so wichtig wie in den vergangenen Monaten.

Auslöser verstehen

Der bessere Umgang mit Stress beginnt beim Verstehen. In 3 x 120 Minuten vermitteln die BGM-Trainer:

  • Basiswissen: Was ist Stress? Was passiert dabei im Körper? Was sind die persönlichen ­Auslöser für Stress? Welche Möglichkeiten hat jeder einzelne, um besser mit Stress umzugehen?
  • Die inneren Antreiber: Welche Charaktereigenschaften der Betroffenen verstärken den Stress?
  • Systematisches Problemlösen: Wie lassen sich anhand konkreter Themen im Betrieb Stresssituationen künftig vermeiden?

Corona-Stress betrifft alle

Die Corona-Zeit hat die Grundbelastung für Chefs wie Mitarbeiter erhöht. Neue Arbeitsschutzregeln, veränderte Abläufe, Ungewissheit darüber, was heute und was morgen gilt, mitunter schwer nachvollziehbare Maßnahmen, organisatorische Probleme aufgrund fehlender Kinderbetreuung oder wegen Quarantänemaßnahmen, gesundheitliche, wirtschaftliche und soziale Sorgen – all das belastet.

Stress, das hat der Trainer für betriebliches Gesundheitsmanagement Christoph Lenz der ersten Gruppe in Ludwigsburg vermittelt, steigt in Stufen an. Jeder neue Stressfaktor verstärkt den bereits vorhandenen Stresspegel. Um so wichtiger ist es, durch Erholungsphasen die Stresstreppe zu unterbrechen. "Da genügen schon kleine, alltagstaugliche Übungen", betont Gesundheitsmanager Lenz. "Kurz nach draußen gehen und tief durchatmen, Pausen fest einplanen, kleine Dehnungen für den Schulter-Nackenbereich, auch kurze Yoga- oder Qigong-Sequenzen – wir bieten immer alles mögliche an und die Teams können entscheiden, was sie ausprobieren möchten."

Rainer Moses hat seit diesen Trainings sein Verhalten geändert: "Ich habe mir abgewöhnt, unter Stress sofort zu antworten, um nicht unverhältnismäßig zu reagieren." Auch an der Kommunikation hat der Betrieb gefeilt. Leitung, Verwaltung und Monteure wissen jetzt genau voneinander, wer wann welche Arbeitsschritte macht und Daten von der anderen Abteilung braucht. "Das verhindert unnötigen Zeitdruck", erläutert Lenz die Bedeutung guter Kommunikation. Deswegen hat der Betrieb auch ein ausgefeiltes Besprechungssystem eingeführt.

Mitarbeitergespräche ohne Chef

Neben klassischen Vier-Augen-Mitarbeitergesprächen gibt es große Mitarbeiterversammlungen, bei denen alle Mitarbeiter, aber keine Vorgesetzten dabei sind. "Eine Vertrauensperson bringt alles, was hier gesprochen wird, anonym zu Papier, jeder kann da so reden, wie ihm die Schnauze gewachsen ist", erklärt Moses den Vorteil. Die dort genannten Probleme versuchen dann die betroffenen Abteilungen mit eigenen Sitzungen zu lösen.

Rainer Moses ist vom Nutzen des BGMs absolut überzeugt. Er hat seine und die Arbeitszeit seines Teams gerne dafür investiert: "Es tut dem Betrieb gut. Und es geht mir darum, damit unseren Mitarbeitern Wertschätzung zu zeigen."