Leidenschaft Handwerk Vom Schreiner zum Diakon und zurück

Sein Vater hätte ihn gerne als Förster gesehen. Aber Rolf Baier lernte Schreiner. Damit begann ein ungewöhnlicher Berufsweg, der letztlich wieder in einer Schreinerwerkstatt endet.

Rolf Baier an der Werkbank
Rolf Baier achtet bei seinen Produkten darauf, nur Naturmaterialien zu verwenden. - © Bianca Zäuner

Als Schreiner und Bestatter in einer 1.800-Seelen-Gemeinde ist man ein gefragter Mann. Das "Bestattungstelefon" klingelt schon mal mitten in der Nacht. Und auch sonst gibt es immer wieder Notfälle, die seinen Einsatz erforderlich machen. Etwa, weil sich jemand ausgesperrt hat oder ein Fenster zu Bruch ging. Auch das Aufstellen des Christbaums für eine ältere Dame fällt alljährlich in der Adventszeit in das Aufgabengebiet von Rolf Baier. Kein Arbeitstag ist wie der andere. Seit mehr als neun Jahren betreibt der 54-Jährige im Alleingang eine Schreinerei im hohenlohischen Langenburg. Dass er einmal einen Schreinerbetrieb haben würde, war keinesfalls immer absehbar. "Ich habe zwar schon als Kind gerne mit Holz gewerkelt, aber mein Vater hatte andere Pläne für mich", erzählt Baier. Er stammt aus einer Försterdynastie und sein Vater wünschte sich, dass auch sein Sohn diesen Beruf ergreift. "Ich war bereit, es auszuprobieren", erinnert sich Baier. Nach dem Abitur bewarb er sich im Forstdienst, scheiterte aber an der Aufnahmeprüfung. Im Nachhinein ein Glücksfall.

Zivildienst und Studium

Mit der Bewerbung um eine Schreinerlehre war er erfolgreich, absolvierte seine Ausbildung bei der Schreinerei Tauberschmidt in Michelbach-Heide und sammelte dort als Geselle mehrere Monate Berufserfahrung. Dann folgte der Zivildienst in Norddeutschland, wo er in der Werkstatt einer Einrichtung für psychisch Erkrankte arbeitete. Zwar kehrte er im Anschluss kurzzeitig in den Schreinerbetrieb in Michelbach-Heide zurück, entschloss sich dann aber, einen ganz anderen beruflichen Weg einzuschlagen. Er studierte Religions- und Sozialpädagogik und schloss sein Studium als Diakon ab. Mehrere berufliche Stationen folgten, etwa bei der Langzeitarbeitslosenhilfe, als Sozialarbeiter im Gefängnis und als Religionslehrer in Öhringen. Aber so ganz zufrieden war Rolf Baier mit seiner Berufswahl nicht. "Mir hat das Manuelle gefehlt, das Arbeiten mit den Händen."

Werkstattleiter in einer sozialen Einrichtung

Also kehrte er zum Schreinerberuf zurück und besuchte die Meisterschule. Den Meisterbrief in der Tasche verband er zunächst beide Berufe und arbeitete als Werkstattleiter in einer sozialen Einrichtung. Als sein Arbeitgeber immer wieder in wirtschaftliche Schieflage geriet, entschloss sich Baier zur Selbstständigkeit als Schreiner. "Ich wusste von Anfang an, dass ich in Langenburg bleiben wollte", sagt er.

Zweites Standbein Bestattungen

Die Suche nach passenden Räumlichkeiten gestaltete sich schwierig. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis er in seiner Heimatgemeinde fündig wurde. Im September 2013 startete er das Abenteuer Selbstständigkeit. Bedenken, ob sein Schreinerbetrieb laufen würde, hatte er keine. "Ich habe den Bedarf gesehen", sagt er. Relativ schnell und auch etwas unerwartet kam auch ein zweites Standbein dazu: Der örtliche Schreiner, der bis dahin auch die Bestattungen in der 1.800-Seeelen-Gemeinde durchgeführt hatte, setzte sich zur Ruhe und fragte, ob Baier die Bestattungen übernehmen wolle. Schnell sagte er ja, "ohne zu wissen, was auf mich zukommt", gesteht er.

Wohngesunde Materialien

Baier will sich mit seinen Arbeiten von anderen Schreinern abheben. Er nutzt keine Spanplatten oder Kunststoffe, ebenso wenig chemische Lacke. Bei ihm kommen ausschließlich Naturmaterialien zum Einsatz. "Ich will überzeugende Produkte herstellen die wohngesund sind, aus Rohstoffen, die aus der Region stammen. Man soll sehen, dass da Menschenhand dahintersteckt", sagt er. Die Rohstoffe sind zwar teurer und die Herstellung dauert auch länger, aber dafür sind die Sachen eben auch langlebiger und robuster. Dieses Konzept kommt an. Sein Betrieb läuft gut. Derzeit ist er etwa zwei Drittel seiner Arbeitszeit mit Schreinerarbeiten beschäftigt, ein Drittel machen die Bestattungen aus.

Unterstützung von der Ehefrau

Seinen Ein-Mann-Betrieb zu vergrößern hat er in den mehr als neun Jahren seiner Selbstständigkeit nie ernsthaft in Erwägung gezogen. "Das geben auch die Räumlichkeiten hier nicht her." Unterstützung bekommt er von seiner Frau, die ihm beim Papierkram unter die Arme greift und auch bei den Bestattungen im Hintergrund mithilft. Als Soloselbstständiger besteht für ihn die größte Herausforderung darin, sich selbst abzubremsen und nicht zu viel zu machen. "Man muss sich selbst Freiräume schaffen, das wird auch mit zunehmendem Alter wichtiger", sagt er. "Und man muss auch mal den Mut haben, Aufträge abzulehnen, die alleine nicht machbar sind."

Entscheidung für die Selbstständigkeit nie bereut Für die Zukunft hat Baier weitere Pläne. Er will sich in seiner Schreinerei mehr auf Möbel fokussieren und den Bau von Fenstern und Türen reduzieren. Außerdem könnte er sich einen Online-Shop vorstellen, um Kunden außerhalb der Region zu gewinnen. Wirklich bereut hat er den Schritt in die Selbstständigkeit nie. "Klar hat man mal solche Gedanken, das relativiert sich aber recht schnell, wenn man die Vorteile sieht." Das ist für ihn vor allem die Flexibilität. Er liebt seinen Beruf nach wie vor: "Als Schreiner kann man Dinge selbst gestalten und seine eigenen Ideen einbringen", schwärmt er. "Ja, ich würde es wieder genauso machen."