Arbeitgeber-Anteil soll steigen Midijobber: Ärger wegen höherer Sozialbeiträge für Teilzeitkräfte

Die Regierung plant die Parität in der Sozialversicherung bei Midijobbern aufzuheben. Arbeitgeber laufen Sturm gegen das Vorhaben.

Mit Erhöhung der Minijob-Grenze wird auch die Midijob-Obergrenze zum 1. Oktober von derzeit 1.300 Euro auf 1.600 Euro steigen. - © contrastwerkstatt - stock.adobe.com

Andreas Schmitt ist sauer. Der Inhaber der Filialbäckerei "Café Ernst" in Neu-Isenburg hat dieser Tage schon an vielen Stellen mit Kostensteigerungen zu kämpfen. "Was wir absolut nicht brauchen, ist jetzt noch eine Verteuerung der Midijobs", sagt der Chef von 260 Mitarbeitern, darunter 85 Teilzeitkräfte in so genannten Midijobs und knapp 60 Minijobbern.

Der Grund für das Ärgernis: Die Politik will zum Herbst nicht nur den gesetzlichen Mindestlohn auf zwölf Euro erhöhen, sie will auch die Midijobgrenze von bisher 1.300 Euro auf 1.600 Euro ausdehnen und Arbeitgeber verpflichten, mehr als die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge bei Midijobbern zu übernehmen. Von Oktober an sollen Arbeitgeber für Midijobs anstatt der bisher üblichen 20 Prozent vom Bruttolohn bis zu 28 Prozent bezahlen. "Das lehnen wir entschieden ab", sagt Friedemann Berg, Geschäftsführer beim Zentralverband des Bäckerhandwerks. "Wir brauchen keine weitere Verteuerung der Arbeitskosten der Betriebe", betont er. Zumal viele Bäckereien derzeit schon mit hohen Energie- und Rohstoffpreisen zu kämpfen hätten.

Arbeitgeberanteil soll auf bis zu 28 Prozent steigen

Wie stark die Kosten durch das neue Gesetz steigen, zeigt eine Beispielrechnung des Handwerksverbandes: Derzeit entstehen einem Arbeitgeber für einen Midijob in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns von 9,82 Euro und einem Bruttolohn von 460 Euro Bruttolohnkosten von insgesamt 552 Euro. Denn zu den 460 Euro Bruttolohn kommen noch 20 Prozent Sozialversicherungsbeiträge oder umgerechnet 92 Euro. Nach der Reform sind es beim gleichen Arbeitsumfang von 46 Stunden dagegen insgesamt etwas mehr als 700 Euro. Denn zum einen steigt mit dem gleichen Gesetz zum 1. Oktober der gesetzliche Mindestlohn auf zwölf Euro und damit besagter Lohn auf 552 Euro brutto pro Monat. Zum anderen bezahlt der Arbeitgeber dann darauf noch knapp 28 Prozent an Sozialversicherungsbeitragen statt 20 Prozent wie bisher.

"Parität in der Sozialversicherung wird zu Grabe getragen"

Für alle, die viele Teilzeitkräfte beschäftigten, wie Lebensmittelhandwerke, Einzelhandel oder auch Gebäudereiniger, ist das ein Unding: "Das ist im Kern ein Gesundstoßen der Sozialversicherung zu Lasten der Arbeitgeber", kritisiert Bundesinnungsmeister Thomas Dietrich die geplante Neuregelung scharf. Und noch etwas ist dabei für ihn Fakt: "Mit der Neugestaltung der Midijobs wird die Parität in der Sozialversicherung bis zu einem Bruttoverdienst von 1.600 Euro zu Grabe getragen."

Denn nach dem Gesetzesentwurf sollen Arbeitgeber, sobald die Minijobgrenze von künftig 520 Euro überschritten ist, auf einen Schlag 28 Prozent statt bisher knapp 20 Prozent an Sozialversicherungsbeiträgen bezahlen. Da immer der volle Beitrag an die Sozialversicherungen abgeführt wird, ist der Arbeitnehmeranteil entsprechend reduziert. Der Arbeitgeberanteil nimmt dann zwar kontinuierlich ab, erreicht aber erst bei einem Monatsverdienst von 1.600 Euro wieder die Parität.

Unternehmerverband fürchtet "gefährliche Steilvorlage für künftige Zeiten"

Angesichts des Aufweichens der Parität fürchtet auch Karl-Sebastian Schulte, Geschäftsführer des Unternehmerverbandes des Deutschen Handwerks, nichts Gutes: "Das ist eine gefährliche Steilvorlage für künftige Zeiten", sagt er. Die Politik könnte versucht sein, die Midijobgrenze immer weiter auszuweiten und die Arbeitgeber immer stärker zur Finanzierung der Sozialversicherungen heranzuziehen. Damit würde auch der Druck auf die Sozialversicherungssysteme reduziert, grundlegende Reformen etwa in der Kranken- oder Rentenversicherung anzugehen und die Arbeitskosten nicht immer weiter in die Höhe zu treiben.

Nach Ansicht Schultes wird auch die ursprünglich gewünschte arbeitsmarktpolitische Förderung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht erreicht. "Es ist auch nicht so, dass man auf diese Weise mehr Menschen aus Minijobs in Midijobs bekommt", erklärt er. "Die unverhältnismäßig starke Verteuerung im unteren Midijob-Bereich für Arbeitgeber werde dies verhindern, zumal auch für Arbeitnehmer weiterhin der Übergang zwischen Mini- und Midijobs steuerlich nicht geglättet wurde." Viel Hoffnung, dass es anders kommt, hat er nicht. Das aber ärgert Bäckereiinhaber Schmitt. "Mit dieser Regelung geht uns viel Flexibilität verloren", sagt er. Und genau die brauchten er und seine Mitarbeiter.

Wie lange dürfen Beschäftigte im Minijob arbeiten?

Zum 1. Januar 2022 ist der gesetzliche Mindestlohn auf 9,82 Euro die Stunde geklettert. Am 1. Oktober soll er auf zwölf Euro steigen. Mit Erhöhung der Minijob-Grenze wird auch die Midijob-Obergrenze zum 1. Oktober von derzeit 1.300 Euro auf 1.600 Euro steigen. Die Anhebung der gesetzlichen Lohnuntergrenze hat Auswirkungen auf die Arbeitszeit von Minijobbern. Mit einer einfachen Formel lässt sich berechnen, wie viele Stunden Minijobber maximal arbeiten dürfen.