Lage am Bau spitzt sich zu "Hier stopfen sich leider sehr viele Hersteller die Taschen voll"

Die Preise am Bau haben sich teilweise verdreifacht. Eine seriöse Kalkulation gestaltet sich zunehmend schwierig. Während einige Handwerker den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben, warnen Branchenvertreter vor Pleiten.

"Es kann passieren, dass Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, weil sie zu knapp kalkuliert haben", sagt Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern - © Val Thoermer - stock.adobe.com

Ulrich Bopp ist besorgt. Der Bauunternehmer und Präsident der Handwerkskammer Heilbronn-Franken sieht die Bauwirtschaft in einer gefährlichen Schieflage. "Ich merke bei diversen Gesprächen auf unseren eigenen Baustellen, dass das Thema noch nicht bei allen Planern und Handwerkern angekommen ist." Leider würden noch immer viele Handwerker vor lauter Vollbeschäftigung – zumindest was die laufenden Baustellen betrifft – den Ernst der Lage nicht richtig einschätzen, glaubt Bopp.

Ob Baustahlgewebe, Betonrundstahl und Bitumen, Kupfer und Kunststoff – viele Waren sind derzeit nicht lieferbar oder nur mit hohen Aufschlägen zu bekommen. Die Preise haben sich teilweise verdreifacht. Die Verzögerung bei der Lieferung beziffert Bopp auf bis zu sieben Wochen. "In dieser Zeit hätten wir den Rohbau für ein Einfamilien-Wohnhaus bereits erstellt." Handwerker berichten, dass beinahe täglich neue Preiserhöhungen eingingen, die Bauunternehmer Bopp mitunter für "unverschämt" hält. "Ich kann die Preiserhöhungen nur bis zu einem gewissen Prozentsatz wegen Energiezuschlägen nachvollziehen, aber hier stopfen sich leider sehr viele Hersteller die Taschen voll."

Betriebe gehen in Kurzarbeit

Tatsächlich klagen immer mehr Bauunternehmer, dass sie nicht mehr seriös kalkulieren könnten. Die Störung der Lieferketten führt dazu, dass bereits begonnene Bauvorhaben nur noch mit Unterbrechungen ausgeführt werden können. Die Folge: Betriebe gehen in Kurzarbeit oder müssen sogar Mitarbeiter entlassen. "Manche haben bereits ernsthafte Existenzprobleme", warnt Bopp. Sein Kollege Franz Xaver Peteranderl, ebenfalls Bauunternehmer und Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern, teilt die Sorge: "Es kann passieren, dass Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, weil sie zu knapp kalkuliert haben." Einige Firmen fallen der Preisbindung zum Opfer. "Das geht auf den Ertrag. Das kann im Einzelfall ruinös sein."

Einfamilienhäuser verteuern sich deutlich

Die Lage am Bau macht auch den Kunden zu schaffen. Viele Bauwillige überlegen sich, ob sie überhaupt ein Grundstück kaufen. Das betrifft auch Bauherren, die bereits Grundstücke gekauft haben und über eine Baugenehmigung und Finanzierung verfügen. Denn Finanzierungen wurden meist auf der Grundlage von Kostenschätzungen im vorausgegangenen Jahr abgeschlossen. Nachdem die Angebote der Handwerker vorliegen und diese nur noch mit Preisgleitklauseln anbieten können, stellen Bauherren fest, dass ihre Kalkulation nicht mehr aufgeht. "Ein ganz normales Einfamilienwohnhaus liegt inzwischen weit über hunderttausend Euro höher als noch Anfang 2021", sagt Bopp. Bei steigenden Zinsen stellt sich die Frage, ob diese Kosten noch zu schultern sind.

Staat könnte mehr tun

Peteranderl sieht den Staat in der Pflicht, die Bauwirtschaft zu unterstützen. "Der Staat könnte Arbeitszeitregelungen flexibler gestalten und Steuerstundungen in Betracht ziehen." Trost spendet ihm ein Blick in die Vergangenheit. "Die Jahre zwischen 1996 und 2008 waren wesentlich gravierender, weil wenig Aussicht bestand auf eine positive Zukunft", so Peteranderl. Die derzeitige Krise resultiere aus einer Knappheit des Materials. "Das kann sich aber wieder bessern."