Hinweisgeberschutzgesetz Auch in Kleinbetrieben: Whistleblower künftig mehr geschützt

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz sieht vor, dass Unternehmen ab 50 Beschäftigten Meldesysteme für Rechtsverstöße einrichten müssen. Betroffen sind jedoch alle Unternehmen, weil künftig auch externe Meldestellen eingerichtet werden. Für Beschäftigte in Kleinbetrieben bedeute dies faktischen Kündigungsschutz, so Rechtsexperten.

Das Hinweisgeberschutzgesetz schützt Arbeitnehmer vor Repressalien, wenn sie Rechtsverstöße im Unternehmen melden. - © Imillian - stock.adobe.com

Bemerken Arbeitnehmer Missstände oder Rechtsverstöße im Unternehmen, ist die Hemmschwelle, dies zu melden, verständlicherweise hoch. Nun hat die Bundesregierung das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz, HinSchG) sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, auf den Weg gebracht.

Dabei geht es nicht um Petzen oder Denunzieren. Hinweisgeber übernehmen Verantwortung für die Gesellschaft und verdienen Schutz vor Benachteiligung, so das Bundesjustizministerium. "Es sollte und muss auch im Interesse eines Unternehmens sein, Rechtsverstöße aufzudecken", sagt Rechtsanwalt Björn Gaul. So könne Schaden abgewendet und Strafen können vermieden werden.

Das Gesetz liegt nun als Referenten­entwurf vor, der die EU-Richtlinie 2019/1937 (Whistleblower-Richtlinie) umsetzt. Eigentlich hätte dies bereits zum Ende des vergangenen Jahres geschehen sollen. Die neue Bundesregierung ergänzte in ihrem Gesetzentwurf den von der Richtlinie geregelten Hinweisgeberschutz. Schutz erhalten Hinweisgeber jetzt nicht mehr nur, wenn sie Verstöße gegen EU-Recht meldeten, sondern auch bei Meldungen von Verstößen gegen deutsche Vorschriften, so Rechtsanwalt Thomas Sonnenberg. Es soll noch in diesem Jahr in Kraft treten.

Gemeldet werden können straf- oder bußgeldbewehrte Verstöße, Verstöße gegen Rechtsvorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge, gegen Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, Datenschutz, den Schutz von Beschäftigten oder Steuerrecht. Nach § 36 HinSchG sind Repressalien verboten.

Faktischer Kündigungsschutz in kleinen Betrieben

Erfährt ein Hinweisgeber trotzdem Nachteile, muss die Person, die die Repressalie zu verantworten hat, beweisen, dass nicht die Meldung der Grund war (Beweislast­umkehr). "In kleinen Betrieben bewirkt das einen faktischen Kündigungsschutz, den man nur mit dem klaren Nachweis, dass eine Kündigung durch andere Gründe bedingt ist, beseitigen kann", sagt Björn Gaul.

Hinweisgeberschutz gibt es schon heute in Deutschland. Bisher sollte ein Arbeitnehmer zuerst im eigenen Unternehmen auf einen Missstand aufmerksam machen. Im neuen Gesetz hat die interne Meldung aber keinen Vorrang mehr vor der externen. In Zukunft kann ein Hinweisgeber selbst entscheiden, ob er sich an eine interne Meldestelle im Unternehmen oder an eine externe Meldestelle auf Bundes- oder Länderebene wendet (§7 HinSchG). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert dies und setzt sich dafür ein, im Gesetz Anreize für interne Meldungen zu geben. "Unternehmen haben ein Interesse daran, dass ein Hinweisgeber zunächst die interne Meldestelle kontaktiert", sagt DAV-Mitglied Björn Gaul. So könnten Verstöße schneller aufgearbeitet, Ermittlungen der Behörden oder Strafverfolgung vermieden werden. Außerdem werde gerade bei fehlerhaften Meldungen umgangen, dass außerhalb des Unternehmens unzutreffende Vorwürfe diskutiert werden.

Interne Meldestelle bei Unternehmen ab 50 Mitarbeitern

Je nach Größe müssen Betriebe Hinweisgebersysteme, interne Meldestellen und Meldekanäle einrichten. Möglicherweise noch in diesem Jahr.
Die interne Meldestelle betreibt den Meldekanal. Dabei handelt es sich um eine Stelle, bei der eine mündliche, schriftliche oder elektronische Meldung vertraulich abgegeben werden kann. "Ebenso muss geklärt sein, wie im Unternehmen mit einer eingegangenen Meldung weiter verfahren wird", sagt Rechtsanwalt Björn Gaul. Dazu gehöre, dass die interne Meldestelle dem Hinweisgeber den Eingang bestätigen, die Meldung prüfen und gegebenenfalls Folgemaßnahmen ergreifen muss.

  • Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten müssen kein Hinweisgebermeldesystem einrichten.
  • Unternehmen mit 50 und bis zu 249 Beschäftigten müssen voraussichtlich ein Hinweisgebersystem mit einer internen Meldestelle nicht vor dem 17. Dezember 2023 einrichten.
  • Unternehmen mit mehr als 249 Beschäftigten werden wohl unmittelbar mit Inkrafttreten des Gesetzes die internen Melde­kanäle einrichten müssen.

Im Zusammenhang mit einer internen Meldestelle muss geklärt werden, wer die Meldung erhält und prüft, wie Vertraulichkeit garantiert und das weitere Vorgehen dokumentiert wird. Eine interne Meldestelle kann das Unternehmen selbst oder durch einen externen Dienstleister betreiben. Konzerne können auf Grundlage des Gesetzentwurfs eine interne Meldestelle zentral einrichten, die auch für die einzelnen Tochtergesellschaften tätig werden kann. "Bei ausländischen Tochtergesellschaften müssen Unternehmen allerdings prüfen, ob im EU-Ausland etwas anderes gilt. Zudem hält die EU-Kommission abweichend vom Gesetzentwurf daran fest, bei mehr als 249 Beschäftigten habe jede Tochtergesellschaft einen eigenen Meldekanal einzurichten", stellt Sonnenberg fest.

Jeder hat das Recht, Hinweise zu geben und geschützt zu sein

Zu beachten ist, dass unabhängig von der Betriebsgröße "jeder Arbeitnehmer das Recht hat, Hinweise zu geben und als Hinweisgeber geschützt zu sein", sagt Björn Gaul. Hat ein Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern kein Meldesystem eingerichtet, bestehe die Möglichkeit, dass sich ein Mitarbeiter an eine externe Meldestelle wendet und dann Hinweisgeberschutz in Anspruch nimmt. Auch wenn das Gesetz an dieser Stelle unklar sei und im Gesetzgebungsverfahren noch das Verhältnis zu sonstigen Regelungen geklärt werden müsse, die noch vom Vorrang einer internen Meldung ausgehen, bleibe der Arbeitnehmer über das allgemeine Maßregelungsverbot geschützt. "Damit wird das Thema auch für einen kleinen Handwerksbetrieb relevant."

Vor diesem Hintergrund sei es ratsam, sich mit dem Hinweisgeberschutz auseinanderzusetzen und über eine Vorgehensweise bei Meldungen nachzudenken. "Unternehmer sind schon immer in der Pflicht, sich bei ihrer geschäftlichen Tätigkeit korrekt zu verhalten und Regeln zu beachten", sagt Thomas Sonnenberg, der ebenfalls DAV-Mitglied ist. Da jedoch niemand permanent alle Bereiche seines Unternehmens kontrollieren könne, sei "ein Hinweisgebersystem nichts anderes als ein Mittel zur Förderung von Transparenz, damit Regeln eingehalten werden." Eine Verpflichtung, anonyme Hinweise anzunehmen, gebe es nicht, sagt der Rechtsanwalt. Ein Unternehmen könne selbst entscheiden, ob es ihnen nachgehen wolle oder nicht.